Die CDU/CSU sagt „Ja zu (...) zukunftsfähiger Mobilität". Die Sozialdemokrat*innen „kämpfen für (...) gute Mobilität für alle“ und die Grünen wollen eine „Mobile Gesellschaft – Stadt und Land zusammen“. Doch was verbirgt sich konkret hinter diesen Schlagworten?
Wir haben uns die Wahlprogramme aller demokratischen Parteien, die eine realistische Chance haben in den Bundestag zu kommen, angesehen und vergleichen was CDU/CSU, SPD, Grüne, Linke, FDP und BSW zum Thema Mobilität zu sagen haben. Unser Fokus liegt dabei auf Rad- und Fußverkehrsthemen, doch – soviel schon vorab – da sieht es durchgängig, über alle Parteien hinweg, sehr dünn aus. Zum Motorisierten Individualverkehr (MIV) und auch zum Fernverkehr der Deutschen Bahn haben die meisten Parteien viel zu sagen. Zum Öffentlichen Personen Nahverkehr (ÖPNV) wird es schon deutlich weniger konkret. Und Rad- und Fussverkehr wird überwiegend nur vage als „wichtige Ergänzung“ gesehen.

tl;dr - Kurz zusammengefasst
Eine echte Mobilitätswende scheint so gut wie keine der Parteien im Sinn zu haben. Lediglich die Linke formuliert die Mobilitätswende als Ziel. Mit Abstrichen sind bei den Grünen und mit noch mehr Abstrichen auch bei der SPD Ansätze hin zu einer weniger autozentrierten Gesellschaft zu erkennen. Alle drei setzen sich für Vision Zero, Tempolimits und stärkere Regulierung des MIVs zugunsten alternativer Fortbewegungsmittel ein. So fordern sie z.B. den Ausbau eines bundesweiten Netzes von Radschnellwegen und setzen sich für den Erhalt des Deutschlandtickets ein.
Das BSW fordert zwar eine Verkehrspolitik für alle, fokussiert sich aber dann doch sehr stark auf das Auto für alle.
Für CDU/CSU und FDP ist der verbrennerbasierte, motorisierte Individualverkehr ein Zeichen von individueller Freiheit, das Auto ein Kulturgut. Ein generelles Tempolimit wird abgelehnt, das Verbrennerverbot soll rückgängig gemacht werden. Eine Mobilitätswende ist im Denken dieser beiden Parteien nicht vorgesehen.
Im folgenden sind die wichtigsten Punkte detailliert dargestellt.
To Verbrenn or not to Verbrenn
Das sogenannte Verbrenner-Verbot ist ein großer Aufreger unter den Automobilist*innen. Von der CDU, dem BSW und der FDP wird vehement eine Aufhebung des Verbrenner-Verbots gefordert. Alle drei setzen dabei auf "Technologieoffenheit" und alternative Kraftstoffe, wie E-Fuels, Wasserstoff und Biokraftstoffe.
SPD, Grüne und Linke sehen dagegen die Zukunft des Autos in der E-Mobilität und sprechen sich für eine Förderung von E-Autos aus. Sie betonen in diesem Zusammenhang auch die Planungssicherheit für die Industrie, um Deutschland als Standort für die Automobilwirtschaft zu erhalten.
Ich geb Gas, ich geb Gas
Auch wenn die Mehrzahl der deutschen Bürger*innen ein Tempolimit auf Autobahnen befürwortet und die Vorteile für Klima und Gesundheit vielfach nachgewiesen sind, ist das nur zum Teil bei den Volksvertreter*innen angekommen. CDU und FDP lehnen ein Tempolimit auf Autobahnen generell ab. SPD und Grüne fordern ein Tempolimit von 130 km/h, die Linke sogar maximal 120 km/h. Das BSW hat dazu keine Meinung, fordert aber „Verkehrspolitik für alle statt Bevormundung und Verbote“.
Innerorts fordert die Linke Tempo 30 (außer auf Hauptverkehrsstraßen), die Grünen weisen auf die bereits geschaffenen Erleichterungen für Kommunen Tempo 30 anzuordnen hin. Für die übrigen Parteien ist Tempo 30 kein erwähnenswertes Thema.
Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n mit der Eisenbahn
Die chronische Unpünktlichkeit und marode Infrastruktur der Deutschen Bahn ist allen Parteien ein Dorn im Auge und sie versprechen Abhilfe. Die CDU will die Bahn dazu verschlanken und Infrastruktur- und Transportbereich trennen. Auch die FDP setzt auf eine Trennung und mehr Wettbewerb. Die SPD hingegen erhält die Deutsche Bahn als integrierten Konzern im öffentlichen Eigentum und lehnt Privatisierungen ab, ebenso wie die Linke, die noch einen Schritt weiter geht und eine „Bürgerbahn“ fordert.
Das Deutschlandticket wollen die SPD, das BSW und die Grünen erhalten und für bestimmte soziale Gruppierungen im Preis reduzieren. Die Grünen nennen explizit den (nicht reduzierten) Preis von 49€. Die Linke fordert ein Deutschlandticket für 9€ (kostenlos für bestimmte Gruppierungen). Die FDP erwähnt den Erfolg des Deutschlandtickets, lässt sich aber nicht genauer dazu aus. Die CDU erwähnt das Deutschlandticket im Wahlprogramm nicht, hat jedoch offensichtlich Pläne es abzuschaffen [1].
Einen funktionierenden ÖPNV erachten fast alle Parteien – in Stadt und Land – als wichtig. Lediglich die FDP schreibt von einer „notwendigen Ergänzung zum Individualverkehr“. Die Linke und die Grünen nennen konkrete Ziele, wie z.B. die Verdopplung der Fahrgastzahlen (Linke: bis 2030, Grüne: bis 2040). Wie das Ganze erreicht werden soll bleibt überwiegend vage.
Ja, wir san mi’m Radl da
Kommen wir endlich zum Fahrrad. Wie schon angedeutet, haben die Parteien hier durchgängig nicht viel zu sagen:
Die CDU will das Rad mit anderen Verkehrsmitteln verknüpfen und dazu neue Radwege „vor allem an Verkehrsknotenpunkten“. Sie setzt auf „freie Mobilität“, bei der sich Bus, Bahn, Schiff, Flugzeug und Auto, Rad- und Fußverkehr sinnvoll ergänzen.
Die SPD fördert „im Sinne der Intermodalität“ die Fahrradinfrastruktur mit bundesweit vernetzten Radschnellwegen und mit Fahrradparkhäusern und entwickelt die Fußverkehrsstrategie des Bundes weiter.
Die Grünen wollen ein bundesweites Netz von Radschnellwegen finanzieren.
Das BSW stellt fest, dass es sichere Radwege in der Innenstadt braucht, ohne aber näher darauf einzugehen.
Die Linke setzt sich für mehr Platz auf den Straßen, für mehr sichere und intakte Rad- und Fußwege und für mehr Fahrradabstellanlagen sowie ein flächendeckendes bundesweites Radverkehrsnetz ein.
Im Wahlprogramm der FDP wird der Radverkehr nur einmal erwähnt: Ein faires Miteinander aller Verkehrsteilnehmer sei nicht durch Verbote, sondern durch ausgewogene Regeln und gegenseitigen Respekt erreichbar.
Damit ist auch bereits alles gesagt, was den Wahlprogrammen zum Thema Fahrrad (und im übrigen auch zum Fußverkehr) zu entnehmen ist.
MIV oder Mief?
Aus den Wahlprogrammen lassen sich - neben den oben ausgeführten Punkten -gewisse Tendenzen entnehmen, wie die Parteien prinzipiell zu einer Mobilitätswende stehen, deshalb noch einige weitere Aussagen aus den Wahlprogrammen:
Die Union möchte die „Automobilindustrie als Leitindustrie“ erhalten – eine Formulierung, die sich so auch wörtlich bei der AfD findet. „Menschen sollen ihre Mobilität frei wählen können – sie ist Ausdruck von Freiheit.“ und „Wir sehen in der individuellen Mobilität den Inbegriff von Freiheit (..) Anti-Auto-Haltung, Fahrverbote für Innenstädte, das Umwidmen von Parkplätzen (..) lehnen wir ab“.
Bei der SPD fängt es vielversprechend an: „Immer mehr Menschen steigen auf Bus, Bahn oder das Rad um“, doch dann kommt das „aber“: „Aber: Für viele ist das Auto ein unverzichtbarer Begleiter“. Dennoch will die SPD eine Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmenden und die Vision Zero im Straßenverkehrsrecht verankern. Die SPD erwähnt eine sozial gerechte Mobilitätswende (ohne das näher auszuführen).
Die Grünen wollen „den öffentlichen Verkehr so entwickeln, dass er auch auf dem Land eine alltagstaugliche Alternative zum Auto wird“. Auch die Grünen orientieren sich an der Vision Zero und wollen dazu u.a. den Stadtumbau stärker fördern.
Für das BSW ist das Auto „nach wie vor das wichtigste Verkehrsmittel in Deutschland.“ Das BSW will "Schluss machen mit der Autofeindlichkeit" und fordert ein „Volksleasing“, um auch Bürger*innen, die sich den Kauf eines Autos nicht leisten können, eine „angemessene Mobilität“ zu ermöglichen.
Die Linke fordert „eine konsequente Mobilitätswende, den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Schienennetzes sowie günstige Ticketpreise, gute Verbindungen auch in der Nacht und im ländlichen Raum, Städte mit kurzen Wegen“. Auch die Linke bekennt sich zur Vision Zero.
Die FDP will das „automobile Kulturgut“ stärken und dass „die Menschen in unserem Land individuell und bezahlbar mobil bleiben“. Der Führerschein bedeutet Freiheit, daher soll dieser günstiger werden. "Diskriminierende Zwangstests für Senioren“ lehnt die FDP ab.
Es ist in gewisser Weise nachvollziehbar, dass der Rad- und Fußverkehr nur einen geringen Stellenwert in den Wahlprogrammen einnimmt, schließlich liegt dieser zu einem großen Teil innerhalb der kommunalen oder regionalen Verantwortung.
Dennoch liegt es auch in der Verantwortung des Bundes, die Rahmenbedingungen für einen sicheren Rad- und Fußverkehr zu schaffen. Mehr als 1-2 Sätze zum Radverkehr findet sich jedoch in keinem der Wahlprogramme. Fußgänger*innen werden völlig außen vor gelassen.
Wir arbeiten weiter daran, dies zu ändern.
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Die Wahlprogramme der Parteien:
CDU/CSU: https://cdu.de/app/uploads/2025/01/km_btw_2025_wahlprogramm_langfassung_ansicht.pdf
SPD: https://spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD_Programm_bf.pdf
Grüne: https://cms.gruene.de/uploads/assets/20241216_BTW25_Programmentwurf_DINA4_digital.pdf
BSW: https://bsw-vg.de/wp-content/themes/bsw/assets/downloads/BSW%20Wahlprogramm%202025.pdf
Linke: https://die-linke.de/fileadmin/user_upload/Wahlprogramm_Langfassung_Linke-BTW25_01.pdf
FDP: https://fdp.de/sites/default/files/2024-12/fdp-wahlprogramm_2025.pdf
Quellen: