Seit ein paar Monaten läuft der Verkehrsversuch in Mannheim. Der Mannheimer Morgen hat stichprobenartig verschiedene Menschen dazu befragt. [1]
Auch wenn wir die Methodik, zwei Menschen zu befragen und diese dann als repräsentativ für eine ganze Gruppe von Mannheimern darzustellen, als problematisch empfinden, ist hervorzuheben, dass die Journalisten bemüht waren, verschiedene Positionen darzustellen und ein vielschichtiges Meinungsbild wiederzugeben.
Fast alle dafür - Aufatmen und Dankbarkeit bei vielen Menschen
Bevor wir uns die Argumente gegen den Verkehrsversuch genauer anschauen, ist zu erwähnen, dass die überwältigende Mehrheit der Befragten den Verkehrsversuch positiv aufnimmt.
Anwohner berichten, wo früher Kurzsprints von Posern, Autokorsos, Hupkonzerte und Dauerstau an der Kreuzung F 1 / E 2 zum Alltag gehörten, ist nun schlafen wieder möglich und Kinder können auf der Fressgasse spielen
ein anderer Anwohner berichtet von Ljubljana, der autofreien Hauptstadt Sloweniens, in der es kostenlose Shuttles für Gehbehinderte gibt und wünscht sich mehr Mut seitens der Mannheimer Verwaltung für ähnliche Konzepte
"...der Verkehr ist zurückgegangen. Wir wollen, dass das so bleibt, sogar ausgebaut wird" sagt jemand
selbst Autofahrer können die Kritik am Verkehrsversuch nicht nachvollziehen - Tiefgaragen sind ohne Stress erreichbar
Radfahrer*innen berichten von weniger brenzligen Situationen mit Kfz in den beruhigten Bereichen
... und wer ist dagegen und vor allem warum?
Eine Autofahrerin aus der Neckarstadt wollte nach einem Termin mit ihrem Sohn (mit Fussverletzung) im Anschluss am Marktplatz essen. Dazu musste sie vom Parkhaus R 5 kommend rechts abbiegen, zurück zum Ring fahren, um dann ins Marktplatz-Parkhaus zu gelangen.
Das Beispiel unterstreicht die Sinnhaftigkeit des Verkehrsversuchs. In den Quadraten ist es schlicht unpraktikabel, von Parkhaus zu Parkhaus zu fahren, um Erledigungen vorzunehmen. Gerade die dichte Mannheimer Innenstadt mit den Bahnverbindungen auf den Hauptachsen bietet gute Möglichkeiten, sich innerhalb der Quadrate komfortabel ohne Auto fortzubewegen.
Eine Wirtin spricht davon, dass Gäste ihre Gaststätte nicht mehr besuchen würden, weil nun die Anreise mit dem Auto zu lange dauern würde.
Wir halten diese These für unstimmig. Die Parkplatzsuche außerhalb von Parkhäusern ist zeitintensiv. Wie ein gezieltes Anfahren von Parkhäusern dann länger dauern soll, scheint unplausibel argumentiert. Für eine abschließende Bewertung wäre eine Datenerhebung sinnvoll.
Als weiteres Problem erwähnt sie die vielen Baustellen. Da können wir nur zustimmen, denn das Baustellen-Management in Mannheim ist erwiesenermaßen auf vielen Ebenen optimierbar. Offensichtliche Lösungen, wie eine interaktive Darstellung von laufenden, abgeschlossenen, sowie geplanten Baustellen sucht man in Mannheim vergeblich. Ankündigungen finden meist nur via dem Mannheimer Morgen statt und das regelmäßig genau einen Tag vor Beginn der Baumaßnahme. Das ist weder zeitgemäß noch praktikabel oder bürgernah. Hier muss die Stadt dringend nachbessern. Gleiches gilt für die Beschilderung von Baustellen, wo nicht selten unstimmige Schilder vorzufinden sind.
Eine Café-Inhaberin (die nebenbei CDU Stadträtin ist) spricht davon, dass ihr Café in E 2 seit dem Verkehrsversuch schwer zu erreichen sei. Auch wenn sie keine Details nennt, wie sie zu dieser Aussage gelangt, ist zu vermuten, dass hier die Durchfahrtssperrung zwischen P 1 und E 1 gemeint ist. Doch auch hier ist zu entgegnen: Das Café ist genauso gut wie vorher erreichbar, eine Einfahrt via dem Ring zwischen K 1 und K 2 ist problemlos möglich. Einen Autoparkplatz hat das Café nicht. Das wirft eine spannende Problematik auf. Die Haltung, als Ladenbesitzer allgemeine Infrastruktur für Kunden des Ladengeschäfts in Anspruch zu nehmen, keine eigene Infrastruktur anzubieten, sich allerdings darüber beklagen, dass das Geschäft schlecht erreichbar sei, wenn die Kunden Parkhäuser nutzen, ist unstimmig.
Weiter moniert sie die Sauberkeit: Dieses Problem ist ein Dauerbrenner in Mannheim. Hat allerdings mit dem Verkehrsversuch wenig zu tun, weshalb wir an dieser Stelle darauf nicht eingehen.
Ihr nächster Kritikpunkt ist das Erscheinungsbild: die Absperrung bei E 1 / E 2 wirke wie eine Baustelle. Das ist sicher richtig. Die rot weiß gestreiften Warnbarken gewinnen sicher keinen Designpreis. Eine Dauerhafte Installation eines versenkbaren Pollers würde dieses Problem schnell lösen. Versenkbare Poller werden weltweit erfolgreich eingesetzt und sind, je nach Modell, recht anschaulich.
Sie leitet ab, weil niemand wisse, wo er hinfahren dürfe, funktioniere der Verkehrsversuch nicht. Dieser Schluss ist unzulässig: Die Beschilderung an der Stelle ist eindeutig: Kfz-Verkehr muss an der Kreuzung vom Ring kommend rechts abbiegen (blaues Schild mit Pfeil nach rechts). Warum sich in Deutschland und speziell Mannheim Autofahrer*innen oft nicht an geltendes Recht halten und warum es offenbar eklatante Lücken bei der Kenntnis der StVO gibt, wäre eine interessante Fragestellung. Während es in anderen Ländern teils Psychologietests und wiederkehrende Führerscheinprüfungen gibt, hat die Politik entweder versäumt, solche Mechanismen zu etablieren oder die Autolobby war erfolgreich in ihrer Arbeit. Daraus abzuleiten, der Verkehrsversuch funktioniere nicht, ist kausal inkorrekt.
Der Juwelier Troncone meint, dass der Weg für ältere Kunden von den Parkhäusern zu weit sei. Das Parkhaus unter dem Markplatz würden seine Kunden aus Imagegründen nicht nutzen. Im Grunde hat Herr Troncone sein eigenes Argument damit schon entkräftet. Der Weg vom Markplatzparkhaus bis zu seinem Ladengeschäft beträgt 170 m. Diese Strecke ist laut mehrerer Navigationslösungen in unter 2 Minuten zu Fuss bewältigbar. Dass mit einem Auto hier überhaupt ein Parkplatz gefunden werden kann, welcher näher am Geschäft liegt, darf in Zweifel gezogen werden.
Weiter behauptet er, sein Geschäft sei daher nur noch zu Fuss oder mit dem Fahrrad erreichbar. Es lohnt sich eigentlich nicht, darauf einzugehen, da diese Aussage schlicht absurd und unzutreffend ist.
"Eine City ohne Verkehr ist eine Siedlung" wird er weiter zitiert. Barcelona, Amsterdam, Paris, Kopenhagen und viele andere Städte rund um den Globus als Siedlungen zu bezeichnen ist hochgradig ignorant und schlicht falsch. Wir empfehlen einen Urlaub in einem der genannten Orte.
Bei genauerer Betrachtung, so hat es den Anschein, bleibt von den Kritikpunkten wenig valide Analyse übrig. Man ist versucht, Parallelen zur Einführung des Tempolimits in Deutschland zu ziehen. Es gibt nur Vorteile und dennoch gibt es eine Lobby einiger weniger, die bisher erfolgreich eine Einführung verhindert. Es wäre schade, wenn Mannheim den eingeschlagenen Weg aufgrund solcher Scheinargumente nicht fortsetzen würde.