Speckweg, Feudenheim, Innenstadt – überall begegnet man dem Mythos, wenn Parkplätze wegfallen, sei das der Tod für den Einzelhandel.
Dabei gibt es zahlreiche Studien, die das Gegenteil belegen. Schon im Jahr 2016 hat die AGFK Bayern einen Artikel veröffentlicht, in dem verschiedene dieser Studien vorgestellt und zusammengefasst werden (1). Es handelt sich um Untersuchungen aus Deutschland, Europa und dem außereuropäischen Raum. Es stellte sich heraus, dass Radfahrende mehr Geld ausgeben als Autofahrende; sie kaufen zwar weniger pro Einkauf, kommen dafür aber häufiger in die Geschäfte. In Summe lassen sie mehr Geld im Einzelhandel.
Es wird auch auf das sich verändernde Einkaufsverhalten hingewiesen: Nicht mehr das rein funktionale Einkaufen von Waren, sondern „Shopping“ als Event steht im Vordergrund, also die Kombination mit Flanieren, Kaffeetrinken, Begegnungen und Genießen. Dafür muss ein einladendes innerstädtisches Umfeld mit guter Aufenthaltsqualität geschaffen werden. Das ist die große (und einzige) Chance für die Innenstädte, sich gegenüber den Grüne-Wiese-Einkaufszentren und dem online-Einkauf zu behaupten.
Mehr Aufenthaltqualität durch weniger Parkplätze am PARKing Day; Bildquelle: QEM
Während die städtischen Einwohner:innen größtenteils ohne Auto in die Innenstädte kommen, wird auf die nötige automobile Erreichbarkeit für Menschen aus dem Umland hingewiesen. Für diese Gruppe müsse ein Parkangebot in Parkhäusern zur Verfügung stehen und gleichzeitig Park&Ride-Möglichkeiten ausgebaut werden.
Die Geschichte wiederholt sich: In Mannheim wurden 1975 die Planken zur Fußgängerzone umgewidmet. Auch damals gab es einen Aufschrei des Einzelhandels, der den Untergang der Geschäfte prophezeite. Heute sind die Planken das Herzstück des Mannheimer Handels.
Für den Verkehr aus dem Umland stehen ausreichend Parkhäuser zur Verfügung, die Zufahrten sind alle frei. Was viele nicht wissen: Die Parkhäuser sind preiswerter als das Parken am Straßenrand. Letzteres kostet pro Stunde 3,60 € (2), im Parkhaus zahlt man zwischen 1,50 und 2,20 €. Parkt man länger, werden Parkhäuser relativ noch billiger (3). Die Parkhäuser sind durchschnittlich nur zu 60% ausgelastet. Das Parkleitsystem weist den Weg zu freien Plätzen (4).
Unsere Gesellschaft funktioniert nach dem marktwirtschaftlichen System. D.h., der Preis für eine Ware oder Dienstleistung richtet sich nach Angebot und Nachfrage. Straßen, Wege und Plätze sind öffentlicher Raum, der in erster Linie der Teilhabe aller Stadtbewohner:innen an gesellschaftlichem Leben dienen muss. Öffentlicher Raum ist ein knappes Gut, demzufolge muss Parken im öffentlichen Raum (Straßenrand, Gehweg, Plätze) mit zunehmendem Flächenbedarf teurer werden.
An einem Samstag im Sommer war ich in der Innenstadt. Sie war gut besucht. In der Fressgasse waren erste positive Auswirkungen des Verkehrsversuchs erkennbar: Es waren weniger Autos unterwegs als früher, die Menschen genossen in der Außen-gastronomie bei schönstem Sommerwetter Eis und Kaffee. Bisher habe ich vor allem samstags nachmittags die Innenstadt gemieden, da mir der Autoverkehr, besonders die Poserszene in der Kunststraße, zuviel Stress verursacht hat. Mit der sich abzeichnenden Beruhigung gewinnt die City vielleicht für mich wieder mehr Attraktivität.
(1) AGFK-WirtschaftsRad_2016.pdf
(2) https://www.rnz.de/region/metropolregion-mannheim/mannheim_artikel,-mannheim-parken-am-strassenrand-wird-doppelt-so-teuer-_arid,525714.html
(4) https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheim-digitales-parkleitsystem-voraussichtlich-ab-august-2022-_arid,1828403.html
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