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Kaum Effekte durch Verkehrsberuhigung der Lange Rötterstrasse Mannheim

  • b-korn
  • vor 25 Minuten
  • 4 Min. Lesezeit

Die Umgestaltung der Lange Rötterstrasse („LaRö“) scheint abgeschlossen zu sein. Vor kurzem wurde der letzte Teil der Maßnahme, die lang ersehnte Babbel-Bank, aufgestellt.

Lange-Rötter-Strasse/ Ecke Melchior Strasse: Die Babbelbank lädt zum Verweilen ein.    Bildquelle: QEM
Lange-Rötter-Strasse/ Ecke Melchior Strasse: Die Babbelbank lädt zum Verweilen ein. Bildquelle: QEM

Ziel der Maßnahme war eine Aufwertung des Stadtteilzentrums durch die Umgestaltung der LaRö zwischen Käfertaler Straße und Geibelstraße zu einem verkehrsberuhigten Geschäftsbereich. Es wurden mehr als 100m² Flächen entsiegelt, ein paar Bäume angepflanzt, der Gehwegbereich "punktuell aufgeweitet“ [1] und zwei Querungshilfen durch Fahrbahnverengungen geschaffen, immerhin eine davon inklusive Blindenleitsystem. 200m² neue Aufenthaltsflächen sollen entstanden sein. 23 neue Fahrradbügel wurden installiert und zwei Anlieferzonen für den Handel ausgewiesen. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h. Die Rechtsabbiegespur zum Alten Messplatz wurde um ein paar Meter verkürzt. [1], [2]


Wir haben uns das Ergebnis angeschaut und mit einigen Passant*innen gesprochen. Der Tenor dieser Beobachtungen und Gespräche: Die Maßnahme hat (bisher) nicht zur gewünschten Verkehrsberuhigung geführt und es hat sich wenig verändert.


Weiterhin fahren Autos zu schnell und es wird wild geparkt wie eh und je. Die Höchstgeschwindigkeit Tempo 20 wird nicht eingehalten und Kontrollen finden nicht statt. Der einzige Umstand, der die Geschwindigkeit reduziert, ist das Halten von Kfz in der zweiten Reihe (beidseitig). Da die Lieferzonen permanent durch Privat-Pkw belegt sind, halten auch die Anlieferer in zweiter Reihe um auszuladen.

Bei einer Begehung mit Mitarbeiter*innen von Verwaltung und Politik stellte ein leitender Fachplaner dazu lakonisch-resignativ fest: „Natürlich, alles wieder zugeparkt.“. Ebenso wurde betont, dass es sich bei allen Einzelmaßnahmen um Kompromisse handele.


Zwei neue Fahrbahnverengungen hätten für eine Geschwindigkeitsreduzierung sorgen können, wenn sie die Fahrbahn nachhaltig verengt und baulich erhöht hätten. Die aktuelle Umsetzung ermöglicht jedoch weiterhin ein bequemes Passieren zweier Kfz im Begegnungsverkehr, so dass kein bremsender Effekt eintritt. Es wurde versäumt, durch Erhöhung eine Schwelle einzurichten, welche sowohl optisch als physisch eine wichtige Wirkung erzielt hätte.

Fahrbahnverengung
Fahrbahnverengung

Zu diesen den gesamten Straßenabschnitt betreffenden Unzulänglichkeiten gibt es leider diverse Punkte, die die Sicherheit von Radfahrenden zusätzlich aufs Spiel setzen: Unverändert geblieben ist die Überleitung vom Messplatz kommend in die LaRö. Der Radweg endet im einspurigen Autoverkehr, der ab dort zwar in der Theorie auf 20 km/h begrenzt ist. In der realen kontrollfreien Verkehrswelt aber brettern die Kfz deutlich überhöht in die LaRö. Ob die Kfz 50km/h einhalten ist unklar, auf 20km/h drosseln die wenigsten. In der Folge wird Radverkehr an den rechten Fahrbahnrand gedrängt - das bedeutet Lebensgefahr. 2022 öffnete ein 80-jähriger Autofahrer unachtsam die Autotüre und verletzte in der Folge einen Radfahrer lebensgefährlich. [3]

Einfahrt Lange Rötterstrasse, von der Käfertaler Strasse kommend
Einfahrt Lange Rötterstrasse, von der Käfertaler Strasse kommend

Auf der gegenüberliegenden Aufleitung des Radverkehrs aus der LaRö kommend auf den Radweg ist diese unverändert so knapp vor der Ampel, dass schon bei drei an der Ampel wartenden Autos das Erreichen des Radwegs nicht möglich ist. Wären die Autostellplätze zwischen Baum und Radwegbeginn zur Aufleitung genutzt worden, hätte der Radverkehr fließender gestaltet werden können - getreu dem oft gehörten Mantra: "der Verkehr muss fließen", was offenbar für den Radverkehr in dieser Stadt nicht gilt.

Auffahrt auf den Radweg rechts, ca 5 m danach die Fußgängerquerung
Auffahrt auf den Radweg rechts, ca 5 m danach die Fußgängerquerung

Eine weitere Gefahrenstelle findet sich am anderen Ende der verkehrsberuhigten Zone: Von Osten kommend wird der Radweg an der Geibelstraße auf die Fahrbahn geleitet. Schon wenige Meter später zwingt der Bordstein der Fahrbahnverengung die Radfahrenden nach links in den Autoverkehr, der bei entgegenkommendem Verkehr nicht nach links ausweichen kann, dazu meist auch nicht gewillt ist, den/die Radfahrer*in einfädeln zu lassen. Hier sind Unfälle nur eine Frage der Zeit.

Tempo 20 und Ableitung des Radwegs, ca. 10m weiter ist die Fahrbahn verengt
Tempo 20 und Ableitung des Radwegs, ca. 10m weiter ist die Fahrbahn verengt

Insgesamt können der Verkehrsberuhigungsmaßnahme kaum Verbesserungen für den Radverkehr attestiert werden, wenn man von den zusätzlichen Fahrradbügeln absieht.

Wobei auch da - wahrscheinlich - gespart werden musste, denn der für Lastenräder vorgesehene Platz ist ohne Bügel oder eine sonstige Möglicheit zum Festketten des Rads gebaut worden, was über kurz oder lang dazu führen wird, dass der Platz von motorisierten Rollern oder Motorrädern in Beschlag genommen werden wird.

Parkplatz für ein Lastenrad ohne Möglichkeit zum Anschliessen
Parkplatz für ein Lastenrad ohne Möglichkeit zum Anschliessen

Es wirkt, als habe die Sicherheit für Radfahrende eine untergeordnete Rolle gespielt in einem Quartier, in dem vielen Familien mit Kindern die Möglichkeit hätte gegeben werden können, das Fahrrad als Verkehrsmittel angstfrei und mit Freude zu nutzen.


Die komplette Maßnahme hat ca. 300.000 Euro gekostet (1). Ein Drittel davon stammt aus dem Beteiligungshaushalt 2022, der unter der Federführung des Fachbereichs 15 (Demokratie und Strategie) durchgeführt wurde. Der damalige Antrag, dessen Ziel es war, ein öffentliches „Wohnzimmer“ für die Menschen in der Neckarstadt Ost zu schaffen, beinhaltete einen zentralen autofreien Bereich - mit Wirkung wie ein Modalfilter - zur Steigerung der Aufenthaltsqualität im Quartier. Er betonte die schon vorhandenen sozialen und demographischen Strukturen, sowie deren Schutz- und Förderwürdigkeit [4]. Diese Ziele konnten durch die durchgeführte Maßnahme nicht erreicht werden. Wie in Mannheim traurige historische Kontinuität, wurde den automobilen Bedürfnissen Vorrang eingeräumt.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Beteiligungshaushalt ist eine feine Sache und kann mehr Bürger*innenbeteiligung an der Stadtentwicklung ermöglichen. Viele gute Projekte wurden darüber entwickelt und durchgeführt. Doch in diesem Fall wurde die Projektidee so weit entfremdet, dass deren Durchführung in keinster Weise das angestrebte Ziel erreichen konnte.


Unbefriedigend ist auch der Umgang mit der Antragstellerin: Ihr wurde die Planung von den beiden beteiligten Fachbereichen vorgestellt und gleichzeitig quasi gesagt: so oder gar nicht, da im städtischen Haushalt für die kommenden Jahre keine Mittel für die LaRö vorgesehen seien. Ihre Bedenken wurden dadurch abgemildert, dass man Hoffnung weckte auf die anstehende Umgestaltung des Uhlandschulen-Vorplatzes, deren Planungsprozess zu diesem Zeitpunkt in vollem Gange war. Man könne eventuell später die beiden Projekte miteinander verbinden und so doch noch die Aufenthaltsqualität verbessern. Heute wissen wir, dass nach kommunalpolitischem Richtungswechsel und leeren Kassen das Projekt Vorplatz Uhlandschule eingestampft wurde - von Oberbürgermeister Specht persönlich. [5] Die Antragstellerin fühlte sich unter Druck gesetzt; hätte sie die Planung abgelehnt, wäre gar nichts geschehen. Heute, nach der Maßnahmenumsetzung, bleibt für sie die bittere Erkenntnis, dass bürgerschaftliches Engagement nur in politisch abgesteckten Grenzen möglich ist. Das bedeutet in diesem Fall, dass in Mannheim die Bedürfnisse und Wünsche aus einem demokratischen Beteiligungshaushalt zugunsten der Automobilität untergeordnet werden. Das Paradigma „Der Verkehr muss fließen“ (wobei hier der Kfz-Verkehr gemeint ist), wird immer noch höher bewertet als eine intakte, soziale Infrastruktur für alle Menschen eines Stadtviertels.



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