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Herr Bertram Bähr vom Mannheimer Morgen ist zuständig für den Bereich Kindergarten und Schulen und hat die Schwierigkeiten für die Bewohner auf Franklin klar aufgezeigt: selbst wenn das "Eltern-Taxi" in der Garage verbleiben würde, ist die Verkehrsinfrastruktur auf Franklin nicht in der Lage, dem derzeitigen und zu erwartenden Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Schon gar nicht den kleinsten Verkehrsteilnehmer*innen der Grundschule auf Franklin. [1] Die Frage die im Raum steht an die Stadt, wird auch im Kommentar von Herrn Bähr gestellt: warum warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. [2]

Einfahrt der Schule links, rechts die Grünanlage, aus beiden Richtungen fahren Autos dazwischen Lotsen, die Kinder über die Straße geleiten.
Thomas Jefferson Straße, Einfahrt vor der Franklin Schule links, Grünanlage rechts . Bildquelle: QEM

Liest man die Antwort der Stadt, Dezernat IV, und der Stadtentwicklungsgesellschaft (MWSP) auf die Anfrage der Eltern auf Franklin zur Verkehrssituation vor der Grundschule, fragt man sich, warum solche Argumente gegenüber Eltern geäußert werden, die seit 2 Jahren in Sorge um das Leben ihrer Kinder sind. Dabei mit vermeintlichen gesetzlichen Sachlagen und einer falschen Darstellung der Situation vor Ort zu kommen, wird die Debatte nicht beenden. Diese Antwort ist ein klares Versagen der Stadt, die ihre Bürger*innen nicht ernst nimmt und ihre Kinder durch solche unüberlegten Entscheidungen gefährdet.

Wir geben Teile des Antwortschreibens (PDF-Datei) kommentiert wieder.


Die Stadt/MWSP hat das Ziel den Bring- und Holverkehr zur Schule soweit zu reduzieren, dass allein dadurch die Verkehrssicherheit steigt. Wie das umgesetzt werden soll, bleibt unklar, denn die von der Stadt/MWSP im Brief angebrachten Veränderungen werden eher die Gefahrensituationen für die Kinder erhöhen:


- Vorgeschlagen wird seitens der Stadt, Kurzzeitparkplätze in der Nähe der Schule einzurichten. Im nächsten Satz wird jedoch behauptet, dass es nicht möglich sei, im Umkreis der Schule Parkbuchten zu bauen. Es bleiben die bestehenden Parkplätze vor der Schule, ca. 20 Stück an der Zahl. Diese würden für das Kurzzeitparken frei gegeben. Was das in Hinblick auf die Übersichtlichkeit auf der Straße verbessern soll, ist unklar. Wenn die Autos aus den Parkplätzen auf die Straße fahren, wird die Gefahrenlage erhöht, insbesondere für die Grundschüler*innen, welche die Straße queren.

- Die Stadt bietet zudem Bodenmarkierungen an: sogenannte Bodenpiktogramme.

- Zusätzlich soll diese Bodenmarkierung durch das Schild "Kinder" (VZ 136-10) ergänzt werden, das in der Wasserwerkstraße von Franklin her kommend aufgestellt wird. Leider ist eine Beschilderung an der Kreuzung Wasserwerkstraße erst nach dem Endausbau möglich, heißt es. Also irgendwann im Jahr 2024 wird es ein Schild geben, wenn alles nach Plan läuft. So lange sollen Piktogramme zusammen mit den neuen Kurzzeitparkplätzen Verbesserung bringen? Dieser unzureichende Lösungsvorschlag ist enttäuschend. Da es auf ganz Franklin weder Fuß- noch Radwege gibt, von Fußgängerüberwegen ganz zu schweigen, macht diese Aussage der Stadt klar, dass Franklins Verkehrsinfrastruktur während der Bauphase, in der schon die erste Hälfte der Bewohner*innen eingezogen und sogar eine Schule eröffnet werden konnte, nicht hinlänglich geplant wurde, sondern die Sicherheit der Bewohner*innen, in diesem Fall Grundschüler*innen, bewusst riskiert wird.

- Desweiteren heißt es: die Bedingungen für Zebrastreifen und Ampel würden nicht erfüllt. Zwar sei vor einer Schule der "rechtliche Spielraum" für Zebrastreifen oder Ampeln größer, aber folgende Bedingungen machen den Einsatz von Zebrastreifen oder Ampeln unmöglich: Gute Sichtbarkeit von allen Fahrtrichtungen, die Fußgänger müssen den Auto- und sonstigen Verkehr gut erkennen können und umgekehrt. Laut MWSP ist dies auf Franklin nicht erfüllt.

Wer ortskundig ist weiß, vor der Schule ist eine ca. 300 Meter lange gerade Straße. Laut dem Leitfaden "Fußgängerüberwege" des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg (S. 26) ist bei einer Geschwindigkeit von 30 km/h ein Mindestabstand von 50 Metern zum Zebrastreifen vorgesehen. [3] Die Aussage der MWSP zu den Bedingungen zur Einrichtung eines Zebrastreifens sind damit unzutreffend.

Zudem sagt die MWSP, dass der Zebrastreifen nicht in einer Kurve liegen oder an eine angrenzen dürfe. Den Zebrastreifen könnte man mindestens 10 Meter weit weg von der Kurve oder Einmündung zur Wasserwerkstraße anbringen. Dazu muss man wissen, dass die Idee, die Kinder kurz nach der Kurve über die Straße zu lotsen von der MWSP stammt!

Zusätzlich müsse der Zebrastreifen häufig genutzt werden, da sonst ein sogenanntes „einseitiges Sicherheitsempfinden“ entsteht, das zu Unsicherheiten und einer höheren Gefahrensituation führt. Die Frage stellt sich: Müsste man dieses einseitige Sicherheitsempfinden nicht generell an jedem Verkehrsschild, Zebrastreifen oder Ampel konstatieren? Wahrscheinlich wird sogar der Fußgängerüberweg vom Wasserturm in die Planken nicht rund um die Uhr von Fußgänger*innen genutzt - macht das diesen überflüssig?


- Neue Wege durch die Grünanlage wird es nicht geben, da ein Überqueren der Straße dort zu gefährlich sei, da die Ein- und Ausfahrt der Schule unübersichtlich ist. Zumal viele Eltern mit dem Auto auf der Straße vor der Schule anhalten, so dass die Kinder zur Grünanlage hin aussteigen - da wäre es doch gut, einen Zebrastreifen mit Ampel dort zu installieren, was den Kindern ermöglichen würde, gesichert über die Straße zu gelangen.


Eine Verbesserung der Verkehrssituation vor der Franklin Grundschule ist ohne eine Einschränkung für den PKW-Verkehr und ohne einen gesicherten Fußgängerüberweg nicht möglich

Die von der Stadt angebotenen Lösungsvorschläge sind nicht hinreichend durchdacht und hätten zum Schutz der Grundschüler*innen vorab geplant und mit Eröffnung der Schule 2019 umgesetzt werden können. Nach den ersten Unfällen, die bereits passiert sind, zeigt die Antwort der Stadt, dass sie die Situation vor Ort offenbar nicht ernst nimmt.



 
 

Wir veröffentlichen den Text des Bündnis Fahrradstadt Mannheim von René Leicht, der Stellung zum vom Gemeinderat beschlossenen KlimaSchutzAktionsPlan (KSAP) nimmt.


Wir waren schon mal weiter. Zumindest bei den Zielen und Ambitionen: Dem 2019 vom Gemeinderat beschlossenen Leitbild zufolge sollte das Fahrrad in Mannheim bis zum Jahr 2030 „das Fortbewegungsmittel Nr. 1“ werden (S. 9). Ausgerechnet mit dem nun vorliegenden „Klimaschutzaktionsplan“ entfernt sich die Stadt deutlich von diesem Ziel: Hier steht keine Zahl und kein Wort dazu, welche Rolle der Radverkehr künftig bei der Verkehrsmittelwahl spielen soll. Auch kein ernstzunehmender Plan, der ahnen lässt, wie die Verlagerung des motorisierten Verkehrs zum Radverkehr gelingt. Stattdessen finden sich viele Allgemeinplätze und eine kleine Liste unzureichender Maßnahmen, die ganz sicher nicht geeignet sind, den gewünschten Umstieg auf das Fahrrad zu erzeugen. Dafür wäre ein Radnetzangebot mit neuen und qualitativ hochwertigen Hauptrouten erforderlich, die ein sicheres und zügiges Radfahren erlauben. Diesbezügliche Vorschläge vom Bündnis Fahrradstadt Mannheim wurden im KSAP ignoriert.

I. Keine konkrete und evaluierbare Zielsetzung

Bisherige Zielgrößen sind unter den Tisch gefallen

Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass die Stadt Mannheim einen Klimaschutzaktionsplan entwickelt. Aber mit Blick auf den möglichen Beitrag des Radverkehrs zeigt sich ein Widerspruch zwischen den wissenschaftlich begründeten Anforderungen und den jetzt für den Gemeinderat formulierten Zielen. Eine der Grundlagen für den CO2-Reduktionspfad war die 2021 vom Wuppertal Institut erstellte Energierahmenstudie (ERS). Demzufolge würde das Ziel der Klimaneutralität in Mannheim verlangen, den Radverkehrsanteil im Modal Split auf 34% zu erhöhen (S. 43). Den neuen Rahmenbedingungen zufolge jedoch nicht erst 2050, sondern schon im Jahr 2030. Entsprechend wird vom Institut auch in den KSAP-Modellberechnungen davon ausgegangen, dass „sich bis 2030 die Anzahl der Wege verdoppelt, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden“ (S. 168), was im Binnenverkehr sogar einen Radverkehrsanteil von 40% erfordern würde. Merkwürdigerweise ist davon aber im Kapitel „MIV auf den Fahrradverkehr verlagern“ überhaupt keine Rede mehr. Denn hier wird dann ein Modal-Split-Anteil von nur 26% und dies dann lediglich als ganz unverbindliches Rechenbeispiel erwähnt.

Die Modal-Split-Quoten sind jedoch kein bedeutungsloses Zahlenspiel, sondern als Zielvorgaben unverzichtbar. Dies wird im KSAP durchaus zugestanden, denn schließlich indiziert der Modal Split den Erfolg klimapolitischer Anstrengungen auf kommunaler Ebene (S. 119). D.h. der Umfang und Wirkungsgrad von konkreten Maßnahmen hängt von den Zielvorgaben ab: Je niedriger der angestrebte Radverkehrsanteil, desto geringer ist der Druck wirkungsvolle Maßnahmen umzusetzen und desto weniger Rückhalt haben entsprechende Forderungen.

CO2-Einsparpotenzial des Radverkehrs wird erkannt aber kaum genutzt

Es ist vollkommen unverständlich, warum der KSAP nicht wenigstens seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird und konkrete Ziele in der Radverkehrspolitik einfordert. Schließlich wird hier ja argumentiert: „Der Verkehrssektor stellt in Hinblick auf den Klimaschutz eine besondere Herausforderung dar, da es [...] nicht gelungen ist, seine CO2-Emissionen [...] in bedeutendem Umfang zu senken. Während die zentralen Stellschrauben zur Fahrzeug- und Antriebstechnologie auf EU- und Bundesebene gestellt werden [...], fallen die Strategiebereiche Vermeidung von motorisierten Verkehren und deren Verlagerung auf kohlenstoff-arme und kohlenstoff-freie Verkehrsmittel originär in kommunale Zuständigkeit“ (S. 110f.). Eigentlich wird der Radverkehr deshalb als eine der „TOP-Maßnahmen“ im KSAP identifiziert, „denen eine besonders hohe Priorität auf dem Weg zur Klimaneutralität beigemessen wird“ (V535, S. 11). Das CO2-Einsparpotenzial wird sogar höher als beim ÖPNV eingeschätzt! (S. 116).

All diesen Erkenntnissen steht jedoch die Feststellung gegenüber, dass im KSAP keine konkreten Ziele sowie nur vergleichsweise unspezifische oder harmlose Maßnahmen aufgelistet sind (siehe im Folgenden).

Viel Spielraum für verkehrspolitische Beliebigkeit

Relativierend wird nun teils auf den Beschlusstext der Gemeinderatsvorlage verwiesen, in welcher der KSAP lediglich als „handlungsleitende Konzeption“ bezeichnet wird. In der Begründung der Beschlussvorlage (V535/2022) wird auf den „flexiblen Charakter“ des KSAP verwiesen. Doch niemand sollte glauben, dass alles Weitere und vor allem die konkreteren Schritte durch den Masterplan Mobilität 2035 geregelt würden: Die beauftragten Gutachter haben wiederholt und zuletzt sogar öffentlich betont, dass sie hinsichtlich des Radverkehrsanteils im Modal-Split keine Zielvorgabe empfehlen werden. Die Debatte hat bereits gezeigt, dass sich die Ambitionen von Gutachtern und Verkehrsplanung auf der einen Seite und die der Rad-Community auf der anderen Seite enorm unterscheiden.

Konkrete Ziele – auf die sich das Bündnis Fahrradstadt berufen kann – können daher (insbesondere in Anlehnung an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts) nur aus den klimapolitischen Vorgaben abgeleitet werden. Dies wird letztendlich auch im KSAP „theoretisch“ so gesehen: „Damit die Kommunen ihren Handlungsspielraum für ein klimaschonenderes Mobilitätssystem auch ausschöpfen können, braucht es vor allem verbindliche Zielvorgaben einer Klimaneutralität der öffentlichen Hand bis zum Jahr 2030" (S. 111). Dies ist auch deswegen wichtig, weil die Wirksamkeit der Maßnahmen ja ohne vorgegebene Ziele überhaupt nicht evaluiert werden kann. Eine solche Wirkungskontrolle ist laut Beschlussvorlage zwar vorgesehen. Aber wie soll das gehen, wenn kein Radverkehrsanteil benannt wird?

II. Keine analysebezogenen und wirksamen Maßnahmen

KSAP-Maßnahmen für den Radverkehr: Ein Blankoscheck für „Weiter so“?

Im KSAP lässt die Überschrift „Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur“ zunächst hoffen. Doch mit der nachfolgenden Konkretisierung wird schnell deutlich, dass hier lediglich die Fortsetzung der bisherigen Praxis geplant ist. Allgemeinplätze wie „Verbesserung bestehender Wege“ und „Neuanlage dort wo Netzlücken bestehen“ sind in ihrer Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen. Dies sind Formulierungen, die alles und nichts beinhalten und welche auch sämtliche Städte ohne Klimaschutzaktionsplan und ohne Climate City Contract unterzeichnen könnten. Will man damit die EU überzeugen?

Es ist doch ganz offensichtlich, dass sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber existieren, was genau eine Verbesserung bestehender Wege und die Schließung von Netzlücken bedeuten könnte. Unter der jetzt formulierten Prämisse gilt: Was immer die städtische Verkehrsplanung auch macht - und selbst wenn es nur die Asphaltierung eines bestehenden Radwegs oder die Einrichtung von ein bis zwei Fahrradstraßen wäre: Es würde sich in jedem Fall mit den Vorgaben des KSAP decken. Und damit wären alle weitergehenden Forderungen auf Basis klimapolitischer Ziele vom Tisch. Was hier im KSAP steht ist nichts anderes als ein Blankoscheck zur Legitimierung unzureichender Maßnahmen, die dann auch noch durch die Übereinstimmung mit dem KSAP klimapolitisch geheiligt werden. Bei allem kommt hinzu, dass nun in der Diskussion des Masterplans Mobilität jeglicher Druck entzogen wird, diesen in Übereinstimmung mit klimapolitischen Zielen zu entwickeln.


Schulterklopfen statt Fehleranalyse

Mangels Fehleranalyse werden im KSAP keinerlei Versäumnisse aufgezeigt und daher auch nicht die richtigen Schlussfolgerungen für die Zukunft gezogen. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass die bisherigen Maßnahmen nichts daran geändert haben, dass das Fahrrad in Mannheim seltener genutzt wird als in vergleichbaren Städten. Unerwähnt bleibt auch, dass selbst die geringe Zunahme nicht etwa zu weniger Autoverkehr führte, sondern zu Lasten des Fußverkehrs ging. Insgesamt also ein Nullsummenspiel für den Fuß- und Radverkehr aus welchem Lehren gezogen werden müssten.

Allerdings wurden in die Maßnahmenliste weder die Vorschläge von Bündnis Fahrradstadt aufgenommen noch der Hinweis (bspw. der Verkehrsgutachter) aufgegriffen, dass in Mannheim offensichtlich hohe Hürden bestehen, das Fahrrad nicht nur innerhalb des eigenen Wohnquartiers, sondern auch zwischen den Stadtteilen zu nutzen. Zusammengenommen weist dies darauf hin, dass Mannheims Radnetz zu wenig attraktive Hauptrouten besitzt auf denen auch längere Strecken zurückgelegt werden können. Da immer mehr Menschen über ein Fahrrad mit elektrischer Unterstützung verfügen und hierfür adäquat ausgebaute Radwege brauchen, stellt die unzureichende Radverkehrsinfrastruktur ein besonderes Hindernis für die Verkehrswende dar.

Aus diesen Gründen war es ein zentrales Anliegen von Bündnis Fahrradstadt, im KSAP festzuhalten, dass der zentrale Schlüssel zur Erhöhung des höheren Radverkehrsanteils im massiven Ausbau der Radnetzstruktur zu suchen ist. Mit Bezug hierauf wurden auch konkrete Vorschläge zur Netzgestaltung unterbreitet, die jedoch keine Berücksichtigung fanden.

Fazit

  • Die Verbände und Initiativen im Bereich Mobilität wurden entgegen der Behauptung der Verwaltung (V535/2022) in keiner Weise an der Erstellung des KSAP beteiligt. Die Vorschläge der Rad-Community wurden vollkommen ignoriert und es wurde auch keinerlei Kontakt aufgenommen.

  • Durch den vom Gemeinderat in dieser Form beschlossenen KSAP wurden in widersinniger Weise alle übergeordneten Zielvorgaben für den Mannheimer Radverkehr obsolet bzw. wurden zu beliebig einsetzbaren Größen.

  • Auf der Handlungsebene werden im KSAP Maßnahmen aufgeführt, die an Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen sind und in ihrer Allgemeingültigkeit auch von allen Städten ohne Klimaschutzziele unterzeichnet werden könnten. Dies ist kein Plan, der die EU überzeugen kann.

  • Jede ablehnende Haltung der Politik gegenüber Forderungen im Radverkehr lässt sich künftig durch den Eindruck legitimieren, die bisher geplanten Maßnahmen würden vollkommen ausreichen, weil sie im Einklang mit dem KSAP zu sehen sind.


Abermals starben zwei Radfahrer*innen in Deutschland. Darunter ist ein 85-jähriger am 7.11. in Berlin. [1] Ein weiterer Radfahrer starb am 11.11. mit 73 Jahren beim Überqueren einer Bundestraße in Tübingen. [2] Dies geschah wenige Tage nach dem viel diskutierten Unfalltod einer Radfahrerin mit einem Betonmischer in Berlin. Und wen interessiert es? All jene, die nach Mindesthaftstrafen für die Aktivist*innen und von RAF Terror durch Letzte Generation rufen, sind nun ganz still.

Wir sind bestürzt über jeden Unfalltoten und drücken unser Mitgefühl mit den Angehörigen aller getöteten Radfahrer*innen aus. Was war in Berlin geschehen und wer ist schuld am Tod der Radfahrerin?

- Die Radfahrerin nutzte den vorgeschriebenen Radweg nicht - Der Radweg war auf wenigen hundert Metern benutzungspflichtig, die Beschilderung jedoch mangelhaft - Der Fahrer des Betonmischers überfuhr die Radfahrerin - Ein Notarztwagen erreichte die Unfallstelle - Die Notärztin entschied, dass der Rüstwagen der Feuerwehr nicht benötigt wird - Der Rüstwagen erreichte die Unfallstelle verspätet

Dies sind die Fakten und zugleich sind wir erschüttert darüber, dass Politiker*innen und selbst öffentlich rechtliche Medien die Letzte Generation auf tiefstem Springerpresse-Niveau angehen.


Woher kommen Lügen und Hetze gegen die Aktivist*innen?

Wir verurteilen jede Art von Hetze, Lügen und Unterstellungen gegen die Letzte Generation. Doch ist der Aufschrei der Autogesellschaft leicht zu erklären. Die Mehrheit hat die Klimakrise verstanden und verändert ihr Verhalten dennoch nicht. Billigflüge oder die kurze Fahrt zum Bäcker sind gewohnt und möchten nicht durch Nachtzüge oder das Fahrrad ersetzt werden. Stattdessen werden nervige Blockaden als Terrorismus verurteilt. Es ist leichter, das eigene falsche Verhalten zu ignorieren und die Schuld den Überbringer*innen der Botschaft anzulasten. Über das eigene Falschparken an der Straßenecke schweigt es sich einfach leichter. Auch dadurch werden Feuerwehr- und Rettungseinsätze blockiert oder verzögert. Jedoch scheint der eigene illegale Parkplatz vielen wichtiger zu sein als die zügige Rettung von Mitmenschen. Genau dies geschah auch im Stau auf der Berliner Autobahn, denn eine Rettungsgasse wurde nur von den Aktivist*innen der Letzten Generation gebildet. Im Stau fehlte eine Rettungsgasse, weswegen der Rüstwagen der Feuerwehr verspätet zur verletzten Radfahrerin kam.

Doch es ist bisher nicht einmal geklärt ob die Besetzung der Schilderbrücke durch die Letzte Generation zu diesem Stau geführt hat. Trotzdem war der Unfall jenen recht, die genervt von den Straßenblockaden der Letzten Generation sind. Denn nur Stau, der womöglich durch Klimaproteste verursacht wird, ist schlechter Stau.


Wirksame Klimaproteste müssen nerven

Demonstrierende mit Plakaten Climate Action Now
Klimaproteste Bildquelle: Robin Erino/Pexels.com

Demonstrationen zielen in der Regel auf die größtmögliche Aufmerksamkeit ab, ansonsten wären sie wirkungslos. Daher streiken Pilot*innen während der Ferien und Lagerarbeiter*innen von Onlinehändlern streiken während der verkaufsstärksten Tage, um gehört zu werden. Genau das tut Letzte Generation mit Straßenblockaden auch und bringt damit deutsche Autofahrer*innen gegen sich auf. Daher kommt der Tod der Radfahrerin vielen gerade recht um die Aktivist*innen zu verdammen.

Sind Klimaproteste nun nur noch legitim, wenn sie niemanden stören und niemand zu Schaden kommt? Bei Blockaden der Letzten Generation wird stets eine Rettungsgasse frei gehalten und die Polizei informiert, sodass die betroffenen Straße gesperrt werden können. Sie planen so, dass möglichst niemand zu Schaden kommt. Dies kann man von den Autofahrer*innen auf der A100 nicht sagen. Es wurde im Stau dicht aufgefahren und keine Rettungsgasse gebildet.


Ein Monat Gewahrsam ohne Anklage sind einem Rechtsstaat nicht würdig

In München setzten Aktivist*innen die Straßenblockaden nun fort. Für den Verdacht auf Nötigung von Autofahrenden sitzen diese nun auf Antrag der Staatsanwaltschaft für 30 Tage in "Gewahrsam". Dies ist das maximale Strafmaß laut des Bayerischen Polizeigesetzes, welches keine Anklage und Prozess vorsieht. Würde gegen die Klimakrise genauso stark vorgegangen, wie gegen die Straßenblockaden der Letzen Generation, hätten wir die Klimakrise schon im Griff.

In Sachsen-Anhalt werden dagegen ungleich schwerere mutmaßliche Straftaten geringer bestraft. Der Fahrer eines Kleinbusses verursachte im Juni 2021 auf der A14 mutmaßlich eine Karambolage in deren Folge 2 Menschen starben und weitere 18 verletzt wurde. Für den Verdacht der fahrlässigen Körperverletzung kam der Fahrer jedoch nicht in Gewahrsam. Die Staatsanwaltschaft beantragte stattdessen ein Strafgeld in mittlerer fünfstelliger Höhe. [3] Dies ist im Vergleich zum Vorwurf der Nötigung durch Aktivist*innen der Letzen Generation unverhältnismäßig und benachteiligt Klimaaktivist*innen.


Wenn wir die Alternativen zur Straße stärken, erreichen wir das Ziel von 0 Verkehrstoten!

Ampel grünes Licht für Radfahrer
Bildquelle: frimufilms/www.freepik.com

Die Politik muss sich schleunigst vom Diktat der Straße befreien. Der weiterhin voranschreitende Ausbau von Straßen führt bekanntlich zu mehr Autos. Diese führen zu mehr Staus ohne Rettungsgasse. Doch eine sichere Zukunft für alle Verkehrsteilnehmer*innen ob motorisiert, auf dem Rad oder zu Fuß erreichen wir nur durch den Ausbau des ÖPNVs und von sicheren Rad- und Fußwegen und mit weniger Autos. Die Zukunft von VW, Benz und Co. liegt nicht nur in E-Autos oder Wasserstoff-LKWs, sondern auch in autonomen Shuttles, Straßenbahnen, Zügen und Bussen.

Im Jahr 2021 gab es in Deutschland 2562 Verkehrstote [4], das sind 7 Tote pro Tag. Diese gilt es in Zukunft zu verhindern mit einer Vision Zero. Keine Verkehrstoten mehr im Verkehrsbereich zu haben, ist machbar. Diese Vision erreichen wir auch mit dem Auto, aber nur wenn endlich die Alternativen gestärkt werden!


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