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Verkehrsversuch Mannheim: so hätte der Rückbau verhindert werden können

Schon bald knattert der Autoverkehr wieder ungeniert durch Fressgasse und Kunststraße. Nach OB Dr. Peter Kurz [1] hat sich am Wochenende auch Bürgermeister Ralf Eisenhauer hierzu geäußert [2]. Herr Eisenhauer spricht im Interview mit dem SWR von einem Umbau, der finanzielle Mittel erfordere und von einem Rechtsrahmen, der gute Vorbereitung von mehreren Monaten benötige, um rechtssicher umgesetzt werden zu können. Herr Dr. Kurz verweist auf "ein Urteil aus Berlin". Die Hintergründe dieses Urteils haben wir uns genauer angeschaut und kommen zu einer abweichenden Einschätzung.

Die Friedrichstraße als Fussgängerzone. Eine lebhafte Straßenszene mit Kindern auf Fahrrädern, einer Frau mit Hund, einem sich küssenden Paar, begrüntes Stadtmobiliar und Sitzgelegenheiten laden zum verweilen ein.
Die Friedrichstraße nach Teileinziehung und Umwidmung zur Fussgängerzone. Quelle: https://www.berlin.de/friedrichstrasse/ueber-das-projekt/weitere-materialien/

Die Argumente der Kommunalpolitik auf dem Prüfstand

Bei dem "Urteil aus Berlin" handelt es sich um den Beschluss "Vorläufiger Rechtsschutz gegen straßenverkehrsrechtliche Anordnung; hier: Sperrung der Friedrichstraße in Berlin für den Autoverkehr" der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24.10.2022 [3]. Mit einem Rechtsrahmen, der gute Vorbereitung von mehreren Monaten benötigt, um rechtssicher umgesetzt werden zu können, meint Herr Eisenhauer den Zeitraum bis zum Abschluss eines Teileinziehungsverfahrens. Bei einer Teileinziehung wird nach dem Straßengesetz Baden-Württemberg die Nutzung einer Straße auf bestimmte Benutzungsarten, Benutzungszwecke oder Benutzerkreise beschränkt. Dies geschieht aus überwiegenden Gründen des Wohls der Allgemeinheit. Von erforderlichen Umbaumaßnahmen konnten wir im Gesetzestext nichts finden [4].


Teileinziehung keine große Sache

Nach unseren Recherchen ist für eine Teileinziehung auch kein besonderer Prozess erforderlich. Eine öffentliche Bekanntmachung gemäß § 7 Abs. 3 Straßengesetz für Baden-Württemberg (StrG) reicht aus. So wurde am 12.09.2019 der Einzug einer Teilfläche der Rastenburger Straße in Mannheim-Schönau bekanntgegeben mit einer Bedenkfrist bis 15.12.2019 [5].


Die richtige Begründung einer Sperrung

Die genauere Analyse des Urteils aus Berlin ist erhellend. Man lernt an diesem Beispiel, wie eine Übergangsphase zwischen dem Ende eines Verkehrsversuchs und dem Beginn der Wirksamkeit einer Teileinziehung begründet werden kann, damit sie vor dem leider noch geltenden § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO Bestand hat. Die Berliner Behörde begründete die Nichtaufhebung der Sperre mit der Notwendigkeit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, um die positiven Aspekte des Verkehrsversuchs bis zur erfolgten Teileinziehung zu erhalten. Das war vor dem Hintergrund der StVO nicht zielführend, denn diese lässt nach dem Ende eines Verkehrsversuches eine Sperrung nur zur Verhinderung befürchteter oder bewiesener Gefahrenlagen zu. Dies wäre in Mannheim aufgrund der überregional bekannten Poserproblematik [6] sowie mehrerer von Kfz verursachten spektakulären Unfällen in der Innenstadt in den letzten Jahren durchaus möglich und belegbar gewesen - falls politisch gewollt. Offenbar war dies vor dem Hintergrund der OB-Wahl am 18. Juni 2023 nicht gewünscht.

In Berlin scheint man stolz auf das Projekt zu sein und hat als Reaktion auf das Urteil vom 24.10.2022 unmittelbar reagiert mit der Teileinziehung. Zum 30.01.2023 wurde die Friedrichstraße offiziell Fussgängerzone und die Stadt hat den Ablauf auf ihrer Webseite dokumentiert [7]. Das Berliner Beispiel Friedrichstraße zeigt, dass der gesamte Prozess innerhalb von 3 Monaten umsetzbar ist. Wir sind gespannt, wie lange es in Mannheim dauern wird.


Mögliche Klagen gegen Teileinziehung? Ein Fallbeispiel:

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang eine abgewiesene Klage aus dem Jahr 2008, die sich gegen eine Teileinziehung der Mannheimer Straße in Schwetzingen richtete [8]. Die Klagebegründung lautete u.a. "Die Beklagte habe des Weiteren die Einwendungen der Industrie- und Handelskammer Rhein-Neckar und des Einzelhandelsverbandes Nordbaden nicht ernst genommen.".

Das klingt verdächtig nach der gleichen Playlist, die auch 2023 noch bei IHK Rhein-Neckar und Handelsverband Nordbaden läuft. Das Gericht stellt fest: "Die zulässigen Klagen sind nicht begründet, da die Teileinziehung rechtmäßig ist".

Entgegen allen Unkenrufen sterben im neuen Fussgängerzonenbereich in Schwetzingen die Geschäfte nicht:

Das Bild zeigt die OpenStreetMap Karte des Fussgängerzonenbereiches der Mannheimer Straße in Schwetzingen. Ein Geschäft reiht sich an das andere. Von der von Handlesvertretungen prognostizierten Leere ist nichts zu sehen.
Die Mannheimer Straße in Schwetzingen auf OpenStreetMap. Pulsierendes Leben statt Poserkorso. Quelle: https://osm.org/go/0DwH0OSsZ

Gemeinderat entscheidet über Zukunft der Stadt

Es ist nun am Gemeinderat, eine Entscheidung über die Zukunft Mannheims zu treffen: Soll Mannheim für Menschen attraktiver werden und eine Stadt sein, die auch Lebensqualität bietet und durch Aufenthaltsqualität zum Verweilen einlädt? Oder ist es wichtiger, trotz erreichbarer Parkhäuser, den Scheinargumenten der Verkehrsversuchsgegner Vorrang einzuräumen und eine möglichst barrierefreie Poserstrecke zu etablieren, weil Innenstadt nur mit einem pulsierenden Stau wirkliches Innenstadtfeeling bieten kann?


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